(Symbolbild, wenn nachfolgend ohne Bildquelle unter Text) / Quelle der Infos: BreisgauLIVE vor Ort, Verein für jüdische Geschichte Emmendingen

Wenn Erinnern auf Bewegung trifft, entsteht eine besondere Form der Auseinandersetzung mit der Geschichte – genau das wollen die neuen Radkarten des Gedenkstättenverbunds Südlicher Oberrhein ermöglichen. Unter dem Titel „Erinnerungsorte am südlichen Oberrhein“ verbinden zwei eigens entwickelte Radrouten insgesamt sieben Gedenkstätten zwischen Offenburg und Sulzburg und bringen regionale Erinnerungskultur buchstäblich aufs Rad.

Jacqueline Schoder von der Stadt Emmendingen machte bei der Vorstellung der Karten deutlich, dass dieses Projekt auch vor dem Hintergrund wachsender historischer Verantwortung zu verstehen sei: Die Zeit der Zeitzeugengespräche neige sich dem Ende zu – umso wichtiger sei es, neue Wege der Erinnerung zu erschließen. Das neue Kartenangebot sei dabei ein kulturell und touristisch gleichermaßen bedeutendes Projekt. Sie sind gratis in den Tourist-Infos und in den Gedenkstätten selbst erhältlich.

Als eine der treibenden Kräfte stellte Carola Grasse vom Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Emmendingen das Vorhaben in den größeren Zusammenhang. Es gehe nicht allein um Radfahren oder touristische Ziele, sondern darum, wie kollektive Erinnerung heute sinnvoll gestaltet werden könne. Die Idee sei aus der Praxis geboren, so Grasse – bereits in der Ortenau habe es Radtouren zu Gedenkorten gegeben, nun habe man dies auf die gesamte Region ausgeweitet. Im Breisgau sei dieses Konzept neuartig.

Insgesamt zwei Jahre Arbeit seien in die Entwicklung der Karten geflossen, sagte Grasse. Besonders stolz sei man darauf, dass nicht nur die großen Einrichtungen wie das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg oder das Jüdische Museum Emmendingen eingebunden seien, sondern auch kleinere Gedenkorte wie die ehemalige Synagoge in Sulzburg oder das „Blaue Haus“ in Breisach. Mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung sei dieses Projekt realisiert worden – knapp 6.000 Euro kostete es, mit 50% Förderung der LpB und dem Land, die andere Hälfte dieser Summe hätten die beteiligten Einrichtungen selbst aufgebracht.

Steffen Krauth von der Agentur „Lautschrift“ erklärte die gestalterischen und kartografischen Überlegungen hinter dem Projekt. Ein zentrales Anliegen sei es gewesen, nicht nur die Routen selbst, sondern auch das historische Umfeld sichtbar zu machen. So enthalte jede Karte nicht nur Etappeninformationen und Hinweise zur Wegebeschaffenheit, sondern auch kompakte historische Informationen, ergänzt um Verweise auf Stolpersteine, Schülerprojekte oder jüdische Friedhöfe. Dass das Ganze auf wetterfestem Material gedruckt wurde, sei kein Zufall: Die Karten sollen im Alltag bestehen und dauerhaft genutzt werden können.

Die Touren führen etwa von Offenburg nach Haslach oder von Emmendingen über Eichstetten und Ihringen bis nach Breisach – Orte, die nicht nur durch ihre landschaftliche Reize, sondern auch durch ihre jüdische Vergangenheit beeindrucken. In Bollschweil erinnert ein Teil der Strecke von Freiburg nach Sulzburg an die Dichterin Marie Luise Kaschnitz, auch dieser Aspekt ist vermerkt.

Neben der gedruckten Version arbeitet das Projektteam derzeit an einer digitalen Erweiterung. Ziel sei es, die Karten auch als Web-App zur Verfügung zu stellen, so Krauth. Dann könnten Nutzerinnen und Nutzer auch per GPS durch die Erinnerung navigieren – ein Routenplaner für die Vergangenheit. Noch sei die Finanzierung offen, aber das Ziel sei klar: Interaktivität, Zugänglichkeit und historische Bildung in einem.

Dass das Projekt bereits Resonanz findet, zeigt das Feedback aus dem Jüdischen Museum Emmendingen: Die Karten würden gerne mitgenommen, und viele Besucherinnen und Besucher lobten die Verbindung aus Geschichte und Landschaft. Genau das war auch die Intention der Beteiligten: Erinnerung nicht nur abrufbar, sondern im wahrsten Sinne „erfahrbar“ zu machen.

Bild: Marcel Hiller / BreisgauLIVE

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